DEN KLIMAWANDEL VERSTEHEN
Klima ist quasi das Wetter über einen langen Zeitraum betrachtet. Das Wetter ändert sich ständig über kurze Zeiträume. Wenn man aber beobachtet, wie sich das Wetter über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren entwickelt, spricht man von Klima. Vergleicht man Wetterdaten aus verschiedenen 30-Jahresperioden und stellt dabei anhaltende Änderungen fest, sagt man nicht, dass Wetter hat sich geändert, sondern das Klima hat sich geändert. An der Lufttemperatur, die in 2 Meter über dem Boden gemessen wird, lässt sich der Klimawandel am leichtesten beobachten. Wenn man die mittleren Temperaturen der letzten 30 Jahre beispielsweise mit der Jahresperiode 1950 bis 1980 vergleicht, stellt man fest, dass sich die Temperatur in Deutschland geändert hat. Und wenn man sich die mittlere Lufttemperatur über den gesamten Globus über einen längeren Zeitraum anschaut, sieht man, dass sich die Temperatur global um rund ein Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erhöht hat.
Die Temperaturerhöhung, sprich die Erderwärmung, ist also die wichtigste Variable für den Klimawandel?
Nicht die Wichtigste. Es gibt andere Größen wie Lufttemperatur, Niederschläge, Wind und Bewölkung, die ebenfalls Klimagrößen sind. Doch an diesen Variablen kann man Veränderungen schwieriger ausmachen, weil sie zum Beispiel noch nicht so lange wie die Temperatur gemessen werden oder weil sie sehr kleinräumig variieren und daher nicht so verlässliche Informationen zu Klimaänderungen liefern. Wenn es zum Beispiel auf Ihrem Grundstück regnet, ist das auf der anderen Straßenseite vielleicht nicht der Fall. Die Lufttemperatur wird am längsten erhoben und ist statistisch einfacher und klarer zu messen als andere Wettergrößen. Die Lufttemperatur in Bodennähe ist daher die Größe, an der man sich am besten orientieren kann und die Klimaforscher als eine wesentliche Größe verwenden. Wenn es also heißt: Die Erde hat sich um rund ein Grad erwärmt, dann legt man dabei die Lufttemperatur in Bodennähe zugrunde.
Was ist die Hauptursache für die Erderwärmung?
Auch wenn natürliche Faktoren wie etwa die Sonneneinstrahlung oder Vulkanausbrüche das Klima beeinflussen: Der größte Teil der globalen Erwärmung im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wurde nach heutigem Wissensstand durch den Anstieg von menschenverursachten Treibhausgasen in der Atmosphäre verursacht. In der Lufthülle kommen Treibhausgase natürlich vor, sie verringern den Anteil der in den Weltraum abgegebenen Wärmestrahlung. Seit der Industrialisierung ist der Anteil dieser Treibhausgase aber stark gestiegen – die CO2-Konzentration beispielsweise von 1850 bis heute um rund 31% (von 285 ppm auf 414 ppm). Und damit einher gegangen ist auch die bereits messbare globale Erwärmung. Mit Computersimulationen, die sowohl die Temperatur vor der Industrialisierung als auch die Temperatur unter den aktuellen Treibhausgaskonzentrationen berechnen können, lässt sich das nachvollziehen: Da kann man sehen, dass es ohne menschengemachte Treibhausgasemissionen keine 1-Grad-Erwärmung geben würde.
Bei der Klimakonferenz 2015 in Paris hat sich die internationale Gemeinschaft darauf verständigt, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad, mindestens aber unter zwei Grad zu begrenzen. Warum ausgerechnet 1,5 bzw. zwei Grad?
Man geht davon aus, dass sich so besonders katastrophale Entwicklungen verhindern lassen. Mit Computermodellen lässt sich das Klimasystem der Erde simulieren und Wenn-Dann-Szenarien entwickeln. Wenn wir so weitermachen wie bisher, erwärmt sich die Erde deutlich über zwei Grad. Die globale Erwärmung könnte dann bis zum Jahrhundertwende auf vier bis sechs Grad steigen, in einigen Regionen sogar bis zu acht Grad. Die Klimasimulationen zeigen auch, welche Folgen eine Erwärmung über zwei Grad haben könnte. Es käme zu großen Steppen und Dürreregionen, Landeismassen würden verstärkt schmelzen, der Meeresspiegel entsprechend steigen und Küstenregionen und Inseln untergehen. In einigen Regionen der Welt würden die Veränderungen so stark werden, dass es einige Ökosysteme und auch menschliche Systeme wahrscheinlich nicht überleben können.
Wenn wir hingegen ein Klimaschutzszenario simulieren, dann würden wir die zwei Grad einhalten. Noch besser wären 1,5 Grad. Bei 1,5 Grad würde die Häufigkeit von Hitzesommern nur knapp halb so stark steigen und die Gefahr von Sturmfluten geringer ausfallen als bei zwei Grad. Es gäbe zwar mehr Extremwettereignisse wie Starkregen und Hurrikans, aber im Prinzip wäre es bei 1,5 Grad in vielen Regionen der Erde ungefähr wie heute, aber wahrscheinlich mit mehr extremen Wetterereignissen, und damit, vermutet man, kann man umgehen.
Ist das 2-Grad-Ziel, dass sich die Staaten auf die Fahnen geschrieben haben, mit den derzeitigen Klimaschutzbemühungen zu schaffen?
Um das zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen stark sinken. 2018 lagen die weltweiten CO2-Emissionen bei rund 42 Gigatonnen. Um die Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad zu bremsen, müssten die weltweiten Emissionen bis 2050 um 90-95 % gesenkt sowie die dann noch existierenden Emissionen wieder aus der Atmosphäre herausgezogen werden. („Netto Null bzw. CO2 Neutral“) Für das 2-Grad-Ziel müssten sie ebenfalls beträchtlich und schnell fallen und zwischen 2070 und 2080 „Netto Null“ erreichen. Die freiwilligen Reduktions-Ziele und Zusagen der Staaten, die 2019 in Madrid gemacht wurden, werden hierfür nicht ausreichen.
Wir Wissenschaftler hoffen nun, dass auf dem nächsten UN-Klimagipfel in Glasgow die Mitgliedsstaaten des Pariser Abkommens schärfere Klimaziele und Maßnahmen festlegen. Die EU hat mittlerweile ein ambitioniertes Ziel: Bis 2050 will sie CO2-neutral werden. Und immer mehr Staaten auch außerhalb Europas entwickeln mögliche Wege dorthin. Und wenn das viele Staaten machen und schaffen, dann haben wir eine Chance, die Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen.
Was müsste konkret passieren, um das zu erreichen?
Wir müssen weg von Kohle und Öl. Überall dort, wo wir Energie erzeugen oder nutzen, müssen wir zum einen sehr energieeffizient werden, zum anderen dafür sorgen, dass wir deutlich weniger Energie benötigen und dass das, was wir brauchen, aus erneuerbaren Quellen kommt. Dazu müssen wir alle Bereiche und Lebensprozesse überprüfen. D.h. zum Beispiel keine Autos mehr mit Verbrennungsmotoren fahren, weniger fliegen und generell im Bereich Verkehr, aber auch bei der Wärmeerzeugung, verstärkt auf Strom aus erneuerbaren Quellen setzen. Das geht weiter bei energieeffizienterem Wohnen und bei der Abfallwirtschaft, wo das Recyceln auch energetisch sinnvoll sein muss. Eingespart werden muss auch bei der Lebensmittelerzeugung, die rund ein Drittel der Gesamtenergie verbraucht und CO2 freisetzt. Hier können wir uns zum Beispiel fragen, ob statt 20 Sorten Tiefkühlpizza nicht vier Sorten ausreichen.
Und dann kommen wir nicht umhin, Techniken anzuwenden und zu entwickeln, um CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen, etwa durch Aufforstung, besseres Bodenmanagement und Wiedervernässung von kohlenstoffspeichernden Mooren. Das macht aber nur einen Teil aus; der Rest muss aus den Bereichen des Lebens kommen. Ich glaube, dass wir mit weniger Energieverbrauch und mehr Energieeffizienz genauso gut leben können. Der erhobene Zeigefinger im Sinne von „Du darfst das nicht und das nicht“, ist denke ich nicht der Punkt. Vielmehr müssen wir mehr Innovationen und Ideen entwickeln, wie wir es anders machen können.
Autor: Katja Hellmuth